Deine Identität als Mutter
Über Selbstbild, Veränderung und das Finden neuer Wege
Mit der Geburt eines Kindes wird nicht nur ein Baby geboren – sondern auch eine Mutter. Diese Erfahrung verändert dich. In tiefen, zarten, manchmal schmerzhaften Schichten. Alte Selbstbilder geraten ins Wanken, neue Facetten tauchen auf. Wer bin ich jetzt – mit diesem neuen Menschen in meinem Leben, dieser Verantwortung, dieser Liebe?
Mutterschaft ist ein radikaler Rollenwechsel. Und sie ist eine Identitätsreise.
Dabei ist Identität jedoch keinesfalls ein fertiges Bild, sondern ein lebendiger Prozess. Deine Mutterschaft wird dich formen – aber nicht festlegen. Du darfst weich und stark sein. Klar und zweifelnd. Und du darfst dich selbst finden, verlieren, und wiederfinden. Immer wieder.
Matreszenz oder Muttertät - das "Erwachsenwerden" zur Mutter
Die Begriffe „Matreszenz“ oder auch "Muttertät" beschreiben den Transformationsprozess von einer Frau zur Mutter, sowohl auf emotionaler, körperlicher, sozialer und psychischer Ebene. Ähnlich wie in der Pubertät durchläufst du Phasen der Orientierungslosigkeit, des Umbruchs – begleitet von hormonellen Schwankungen, Identitätsfragen und oft auch Selbstzweifeln.
Die Mutterschaft fordert dich auf, deine bisherigen Selbstdefinitionen zu hinterfragen:
- Was macht mich außerhalb der Mutterschaft aus?
- Welche Anteile von mir habe ich zurückgelassen – freiwillig oder unfreiwillig?
- Was davon möchte ich zurückholen?
- Welche neue Facetten entdecke ich?
Es kann heilsam sein, dir selbst diese Fragen ehrlich zu stellen – ohne Bewertung. Vielleicht mit Hilfe eines Tagebuchs, Coachings oder ehrlicher Gespräche mit anderen Müttern.
Denn leider wird über dieses Thema immer noch zu wenig offen und ehrlich gesprochen. Stattdessen wird erwartet, dass du sofort in deiner Mutterrolle aufgehst, intuitiv funktionierst - dich dabei aber bitte nicht selbst verlierst.
Gesellschaftliche Erwartungen & das Ideal der "guten Mutter"
Viele Frauen spüren den Druck, eine bestimmte Art Mutter zu sein: stets liebevoll, geduldig, selbstlos, aufopfernd. Dabei gehen oft individuelle Wünsche, Bedürfnisse und Persönlichkeitsanteile verloren. Die Angst, nicht zu genügen, schwingt ständig mit.
Doch deine Identität als Mutter muss keinem bestimmten Ideal entsprechen.
Sie darf widersprüchlich, vielfältig und unperfekt sein. Du darfst eine Mutter sein – und weiterhin du selbst.
Tatsächlich erleben sogar viele Mütter innere Widersprüche wie z.B.:
- Ich liebe mein Kind – aber ich vermisse mein früheres Leben.
- Ich bin dankbar – und gleichzeitig überfordert.
- Ich will für mein Kind da sein – und trotzdem beruflich ich selbst bleiben.
Das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu erkennen, kann verunsichern. Besonders wenn Außenstehende kommentieren: „Du bist so verändert.“ - Ja, bin ich. Und das ist auch okay so.
Balanceakt zwischen Selbstaufgabe & Selbstfürsorge
Es ist ein Mythos, dass eine gute Mutter sich selbst vergessen muss, um gut für ihr Kind zu sorgen. Tatsächlich braucht dein Kind dich in deiner Ganzheit, in deiner Kraft und in all deinem echten Sein. Und das bedeutet auch: auf dich zu achten, Grenzen zu setzen, deine Bedürfnisse wahrzunehmen. Selbstfürsorge ist kein Egoismus – sondern emotionale Hygiene.
Was kannst du im Alltag tun, um dich (wieder) mit dir selbst zu verbinden?
- Tägliche Check-ins: Wie geht’s mir gerade – körperlich, seelisch, mental?
- Raum für eigene Themen: Lesen, gestalten, lernen, tanzen – was nährt dich?
- Sprache für deine Gefühle finden: z. B. durch Journaling oder Gespräche
- Weniger müssen, mehr spüren: Was brauchst du, nicht „die anderen“?
Gerne darfst du dich in dem Reflexionsprozess neu erfinden. Vielleicht wirst du politischer, weicher, wütender oder gar mutiger. Vielleicht willst du dich beruflich verändern. Oder auch einfach endlich wieder Zeit für dich allein. Alles, was du spürst, ist Teil deiner Mutterwerdung.
Du bist nicht „nur“ Mama – du bist immer noch du. Nur in einer neuen, tieferen Version.